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Historie und Verantwortung – Die Wieland-Werke 1933–45

Die Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs waren auch für die Wieland-Werke AG eine schwierige Zeit, für die das Unternehmen historisch um seine Verantwortung weiß. Als Hersteller von NE-Halbzeugen erfuhr Wieland von Seiten der Behörden eine Vorzugsbehandlung, musste sich aber dennoch unermüdlich für den Fortbestand und Schutz des Unternehmens und dessen Mitarbeiter einsetzen.

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Story 137 – 1940 – Menschen

Aufarbeitung eines schwierigen Kapitels

Fremdarbeiter bei Wieland: eine vielschichtige Geschichte

Wieland beschäftigt als „kriegswichtiger“ Betrieb zwischen 1940 und 1945 zahlreiche Fremdarbeiter. Zwar ist die Unternehmensleitung um deren anständige Behandlung bemüht, stößt damit aber auch an Grenzen. Mit der Aufarbeitung der Thematik und Einzahlung in einen Entschädigungsfonds übernimmt Wieland später Verantwortung.

Wie andere als „kriegswichtig“ eingestufte Betriebe steht auch Wieland nach Beginn des Zweiten Weltkrieges vor einem Dilemma: Einerseits muss man immer mehr für Rüstung und Krieg produzieren. Andererseits werden zunehmend eigene Mitarbeiter zum Militär eingezogen. Die personelle Lücke wird mit Frauen geschlossen, vor allem aber mit ausländischen Arbeitskräften.

Die ersten Fremdarbeiter sind 34 kriegsgefangene Franzosen, die im Oktober 1940 in Ulm eintreffen und im Fort Oberer Kuhberg untergebracht werden. Später werden aus den von NS-Deutschland besetzten Ländern auch sogenannte „Zivilarbeiter“ ins Reich verbracht, die meisten von ihnen nicht freiwillig. Immerhin dürfen westeuropäische „Zivilarbeiter“ in Privatquartieren wohnen und sich im Stadtgebiet einigermaßen frei bewegen. Trotzdem unterliegt ihr Verhalten strengen Vorschriften: Arbeitsverweigerung, Fehlverhalten am Arbeitsplatz, unerlaubter Kontakt mit Deutschen, Fluchtversuche oder Diebstahl können hart bestraft werden.

Die größte Gruppe sind „Ostarbeiter“ aus der Sowjetunion: Ab Juli 1942 treffen sie – meist in sehr schlechter Verfassung – in Ulm ein. Untergebracht werden die meisten von ihnen unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen in überbelegten Sammellagern, die mittlerweile in Ulm-Söflingen, im Örlinger Tal und auf der Friedrichsau errichtet wurden. Die Verwaltung der Lager liegt bei der damit völlig überforderten Ulmer Industrie- und Handelskammer, deren Vorsitzender Karl Eychmüller ist.

Er bemüht sich, die bei Wieland beschäftigten Ausländer nach seinen Möglichkeiten anständig zu versorgen. So lässt er für sie Kleider und Schuhe sammeln und ihnen zusätzliche Essensrationen zuteilen, sogar Weihnachtsgratifikationen erhalten sie – gegen die behördlichen Vorschriften. Andererseits gibt es aber im Ulmer Werk Verhaftungen durch die Gestapo und Einweisungen in „Arbeitserziehungslager“. Besonders hart sind die Strafen gegenüber den „Ostarbeitern“, die das NS-Regime aus rassistischen Gründen systematisch diskriminiert. 1944 kommt es auf Weisung der Gestapo sogar zur Hinrichtung eines Sowjetrussen wegen Diebstahls.

Viele Ausländer leiden unter den Verhältnissen, nicht wenige versuchen zu fliehen oder kehren nach einem Heimaturlaub nicht mehr zurück. Am 1. September 1944 arbeiten in Ulm 876 Ausländer (47 % der Belegschaft), in Vöhringen 458 (29,8 %). Auch an den Wieland-Standorten in Villingen und Düsseldorf sind Ausländer eingesetzt.

Wieland hat das Thema „Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg“ 2002 intern dokumentiert sowie anlässlich des 200-jährigen Jubiläums 2020 aufarbeiten lassen. Dass sich das Unternehmen der Vergangenheit stellt und Verantwortung übernimmt, wird daran deutlich, dass sich Wieland ganz zu Beginn im Jahr 2000 an dem von der Bundesregierung initiierten Entschädigungsfonds „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für ehemalige Fremdarbeiter finanziell beteiligt hat.

Headerbild: A-DZOK Ulm, A 1180

Zwangsarbeiter warten vor Gebäude

So wie hier in Neu-Ulm treffen auch in Ulm Zwangsarbeiter per Bahn in großen Sammeltransporten ein. Die Verteilung an die „kriegswichtigen“ Betriebe erfolgt durch das Arbeitsamt. (Copyright: Stadtarchiv Neu-Ulm "Sammlung Welte")

Baracke des Zwangsarbeiterlagers

Die Baracken des Zwangsarbeiterlagers in der Friedrichsau entstanden 1942 und boten Platz für bis zu 1.400 Personen. Überfüllung und schlechte hygienische Bedingungen waren an der Tagesordnung.
A-DZOK Ulm, A 1181

Ergebnis einer aufwändigen internen Aufarbeitung: Insgesamt beschäftigte Wieland in der Zeit von 1940–1945 in Ulm und Vöhringen 2.161 Fremdarbeiter aus 14 Ländern.