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Story 063 – 1863 – Menschen

Die Stunde der Söhne: der „Geheimrat“

Philipp Wieland – Übererfüllung großer Erwartungen

Mit erst 28 Jahren übernimmt Philipp Wieland die Verantwortung für das Unternehmen und führt es zusammen mit seinem Bruder Max ins 20. Jahrhundert. Als herausragender Techniker ebenso wie sozial eingestellter Unternehmer und aktiver Politiker gelingt ihm eine außerordentliche Lebensleistung.

Als Philipp Wieland am 10. April 1863 als ältester Sohn von Philipp Jakob und Mathilde Wieland geboren wird, steht der väterliche Betrieb bereits an der Schwelle zum industriellen Großunternehmen. Nach dem Tod des Gründers 1873 und der zwischenzeitlichen Leitung der Firma durch seine Mutter wird Philipp und seinem Bruder Max die Lebensaufgabe zufallen, Wieland in die industrielle Moderne, aber auch durch zahlreiche Herausforderungen und zwei Weltkriege zu führen.

Darauf wird er bestens vorbereitet: Nach dem Abitur und einer Lehre bei Wieland besucht er die Industrieschule in Lausanne und die Bergakademie in Clausthal, dann absolviert er ein Volontariat beim Schweizer Dampfmaschinenhersteller Sulzer in Winterthur. 1887 tritt er bei Wieland ein und übernimmt schon fünf Jahre später zusammen mit Bruder Max die Leitung, zuständig ist er für technische Belange und das Werk in Vöhringen.

Sein Horizont und seine Energie reichen aber weiter: Philipp Wieland ist von 1909 bis 1918 für die Nationalliberale Partei Abgeordneter im württembergischen Landtag. 1918/19 ist er – jetzt für die Deutsche Demokratische Partei – Mitglied der Nationalversammlung in Weimar und von 1920 bis 1928 Reichstagsabgeordneter. Sein Interesse gilt dabei unter anderem der Energiepolitik und Fragen der Elektrifizierung.

Er bekleidet mehrere Aufsichtsratsmandate, ist Ehrenmitglied des württembergischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure und ab 1920 Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Für sein Engagement wird er zum „Geheimen Kommerzienrat“ und zum „Dr.-Ing. ehrenhalber“ ernannt. Zur Unterscheidung von seinem Bruder Max wird er werksintern oft einfach als „der Geheimrat“ bezeichnet.

Seinen unternehmerischen Horizont erweitert er immer wieder durch Studienreisen, unter anderem 1927 in die USA. Wie schon sein Vater verfolgt er dabei die Strategie, technische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und für Wieland nutzbar zu machen.

1919 wird er Aufsichtsratsvorsitzender der Wieland-Werke AG, zieht sich aber Ende der 1920er-Jahre ins Privatleben zurück und zu seiner Tochter nach Thun in der Schweiz. Von dort aus muss er 1945 die weitgehende Zerstörung des Ulmer Werkes erleben. Dass sein Lebenswerk wieder aufersteht, erlebt er nicht mehr: 1949 stirbt der „typische schwäbische Industrieführer, dem soziale Gesinnung eine Herzensüberzeugung“ war, mit 86 Jahren.

Philipp Wieland Villa

1892 lässt Philipp Wieland seine stattliche Villa in der Nähe des Ulmer Werkes errichten. Beides wird im 2. Weltkrieg durch alliierte Bombardierungen zerstört.

Porträt von Emil Stumpp

1926 porträtiert Emil Stumpp den Reichstagsabgeordneten Wieland. Durchaus eine Ehre, gehört der Künstler doch zu den renommiertesten Pressezeichnern und NS-Kritikern seiner Zeit.

Zeitungsausschnitt Philipp Wieland

An seinem 75sten Geburtstag würdigt die Presse Philipp Wieland als einen „in ganz Deutschland wohlbekannten Industriellen“, der Wieland „zu der heutigen Höhe von Weltruf emporgeführt“ hat.