Story-Headerimage
2 min Lesedauer
Story 011 – 1913 – Menschen Innovation Fürsorge

Employer Branding anno 1913

Wieland wirbt mit umfangreichen Sozialleistungen um Arbeiter

In einer Broschüre zählt Wieland 1913 eine lange Liste mit „Wohlfahrtseinrichtungen“ auf. Sie dient nicht nur der Arbeiteranwerbung und einem „wichtigen und hohen Gute: dem sozialen Frieden!“ Sie ist bis heute ein beeindruckendes Dokument der überdurchschnittlichen Sozialleistungen bei Wieland.

1913 gibt der Hansabund für Gewerbe, Handel und Industrie einen voluminösen Sammelband heraus. Anlass ist das 25-jährige Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm II, Titel des Werkes: „Die freiwilligen sozialen Fürsorge- und Wohlfahrtseinrichtungen in Industrie, Handel und Gewerbe im Deutschen Reiche“. Ein Beitrag befasst sich explizit mit der Firma „Wieland & Cie., Messingwerke in Ulm a.D.“

Dass Philipp und Max Wieland diesen Text als vierseitige Broschüre nachdrucken lassen, hat mehrere Gründe. Sie führen als Signal an die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften aus, dies geschehe „nur aus dem Bestreben zu zeigen, daß in Wirklichkeit in der Industrie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitern nicht von dem Geist der Ausbeutung und Unterdrückung beherrscht wird…“

Genauso richtig ist aber auch: Die deutsche Wirtschaft boomt, Industriearbeiter sind schwer gefragt, besonders in der ländlich geprägten Umgebung von Ulm. Die Broschüre ist deshalb auch eine gezielte Werbung um Arbeitskräfte. Einleitend wird auf die fast hundertjährige Erfolgsgeschichte des Unternehmens verwiesen, um daraus zu folgern: „Entsprechend dieser Entwicklung der Firma sind auch ihre Wohlfahrtseinrichtungen aus ursprünglich von Fall zu Fall geübter Wohltätigkeit allmählich herausgewachsen.“

Dann folgt eine eindrucksvolle Aufzählung, die von Arbeitskleidung auf Ratenzahlung und Kantine mit Frühstück, Mittag- und Abendessen (inklusive Bier!) über Weihnachtsgeld, Hochzeits- und Konfirmationsgeschenke bis hin zu Dienstaltersprämien, Pensionen und Witwenrenten, der Unterstützungskasse und „Hygienischen Einrichtungen“ wie Verbandszimmer, Bade­anstalten oder Wasch- und Umkleideräume reicht. Unter „Sonstiges“ findet sich der „Erholungsurlaub unter Gehalts­fort­zahlung“, der freilich nur Angestellten und „besonderen Arbeitern“ gewährt wird. Viel Raum nimmt die „Wohnungsfürsorge“ ein, hier wird unter anderem von dem „gelungen Versuch“ berichtet, „mit der Erbauung kleiner Arbeiterhäuser und deren Veräußerung an Arbeiter zum Selbstkostenpreis“ diesen zu günstigem Wohneigentum zu verhelfen.

Ob die Broschüre neue Arbeitskräfte anlockt, lässt sich nicht sagen. Ein Jahr nach ihrem Erscheinen verändert ein welt­historisches Ereignis sämtliche Personalplanungen, die Schüsse von Sarajewo lösen den 1. Weltkrieg aus. Ein imposantes Beispiel für frühes „Employer Branding“ bleibt sie allemal.

Mehr erfahren über
Employer Branding heute

Auszug Liste mit Sozialleistungen

1900 entsteht für die Kantine und die Badeanstalt im Werk Vöhringen ein imposanter Neubau. 1913 kostet ein Mittagessen aus Suppe, Fleisch, Brot und Gemüse etwa einen Stundenlohn.

Arbeiterwohngebäude Vöhringen 1900

Arbeiterwohngebäude in Vöhringen um 1900. Gerade die Doppelhäuser mit kleinem Garten sind äußerst gefragt. Manche können dank günstiger Kredite von den Arbeitern erworben werden.