Kurze Geschichte eines prachtvollen Domizils
1859 bezieht Philipp Jakob Wieland eine standesgemäße Villa
Lange wohnt Philipp Jakob Wieland bescheiden im beengten Haus der ehemaligen Glockengießerei. Als er 1859 eine prachtvolle Villa bezieht, ehren ihn seine Mitarbeiter mit einem Fackelzug. Das Gebäude wird im 2. Weltkrieg vollständig zerstört.
Philipp Jakob Wieland bleibt trotz seines enormen geschäftlichen Erfolges privat ein vergleichsweise genügsamer Mensch. Gewiss, schon als junger Mann besucht er gerne und oft Opern und Theateraufführungen und schafft sich eine beachtliche Bibliothek an. Später beginnt er, sich wertvolle Reit- und Kutschpferde zuzulegen, und mit zunehmendem Alter gönnt er sich des Öfteren eine Kur oder verbringt die Wochenenden in seinem Landhaus in Herrlingen.
Aber gemessen an seinen Möglichkeiten wohnen er und seine Familie lange in äußerst beengten und bescheidenen Verhältnissen im Wohnhaus der Glockengießerei in der Ulmer Rosengasse. Weil die Produktion dort stetig ausgeweitet wird, bleibt für eine Ausdehnung der Privaträume kein Platz. Erst in einem Alter, in dem man heutzutage in Rente geht, gönnt sich Philipp Jakob Wieland ein Domizil, das seinem Stand als erfolgreicher Unternehmer gerecht wird: 66-jährig lässt er in der Ulmer Olgastraße eine stattliche Villa errichten. Vermutlich wählt er den Standort nicht zufällig, sondern weil er in der Nähe die Spitalmühle liegt, die er im gleichen Jahr erwirbt und die sich bald zum Hauptwerk von Wieland entwickelt.
Pläne und Details sind heute nicht mehr erhalten. Bekannt ist aber, dass in diesem Gebäude auch das Comptoir, also die Verwaltung des Unternehmens, untergebracht ist. Überliefert ist auch ein Zeitungsartikel in der „Ulmer Schnellpost“, in dem es heißt, das „ganze männliche Personal“ seiner Fabriken habe ihn anlässlich des Einzugs mit einem Fackelzug vor das neue Domizil geehrt, „es flammten gegen anderthalbhundert Fackeln.“ Außerdem hielten die Arbeiter eine längere Rede, deren Inhalt der Presseartikel allerdings nicht aufführt.
14 Jahre lang war es Philipp Jakob Wieland noch vergönnt, in dem großen Haus zu wohnen. In dieser Zeit wurden auch seine vier Kinder von seiner zweiten Frau Mathilde geboren. In einem zeitgenössischen Bildband von 1871 ist die Villa – neben anderen – als Ulmer Sehenswürdigkeit verewigt. Das Gebäude selbst überstand allerdings den Zweiten Weltkrieg nicht, es wurde 1944 bei einem Bombenangriff komplett zerstört. Lediglich einige der steinernen, im griechischen Stil gehaltenen Statuen, die den Eingang zierten, haben die Zerstörung überstanden. Sie stehen heute im Vorgarten eines Hauses in Ulm und sind die einzigen „Zeugen“, die heute noch an die Villa von Philipp Jakob Wieland erinnern.
Copyright Stadtarchiv Ulm: F3/1 Ulmer Ansichten/0611/1 – Ausschnitt aus dem Sammelblatt "Ulm von Südwesten und 16 Einzelansichten”.