Neue Möglichkeiten durch neue Werkstoffe
Das Strangpressen bringt innovative Legierungen hervor
Das 1901 eingeführte Strangpressverfahren erlaubt – und erfordert – besondere Kupferlegierungen. Deren Zahl steigt binnen weniger Jahre explosionsartig an, ebenso wie die Vielfalt der stranggepressten Formen und der daraus produzierten Produkte.
Nach Einführung des Strangpressverfahrens im Vöhringer Werk im Jahr 1901 werden mit der neuen Technologie zunächst nur eine Handvoll Messinglegierungen bearbeitet. So etwa Quarta IVb, eine Legierung, die aus 58 Prozent Kupfer, 2 Prozent Blei und etwas Eisen besteht. Oder das besonders witterungsbeständige Sondermessing Delta V mit 60 Prozent Kupfer-, 0,8 Prozent Blei-, 1 Prozent Eisen- und 3 Prozent Mangananteil.
Innerhalb eines Jahrzehntes werden daraus für Stangen und Profile sieben bleihaltige und fünf bleifreie Messinglegierungen sowie vier Deltalegierungen; für Rohre werden zwei bleihaltige und eine bleifreie, eine Deltalegierung sowie reines Kupfer verarbeitet. Ein Prozess, der vor allem den Werkzeugmachern viel abverlangt. Immer wieder optimieren sie den Werkstofffluss durch Veränderungen am Einlaufradius und durch das Verlängern oder Verkürzen der Kontaktfläche in der Pressscheibe. Dadurch wird es möglich, immer komplexere Formen zu pressen.
Trotz der politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach dem 1. Weltkrieg gelingt es Wieland, die Strategie der Legierungs-Diversifizierung konsequent fortzuführen. 1928 – am Vorabend der Weltwirtschaftskrise – werden auf den Vöhringer Strangpressanlagen bereits Stangen und Profile aus 12 bleihaltigen und 13 bleifreien Messingwerkstoffen hergestellt, dazu aus vier Deltalegierungen. Noch mehr Legierungen kommen beim Pressen von Rohren, die etwa ein Drittel der Produkte ausmachen, zum Einsatz. Neben 21 bleifreien und bleihaltigen Messingmaterialien sind dies fünf Deltalegierungen, Kupfer-Nickel-Werkstoffe für die Kondensatorrohrfertigung, nickelhaltiges Neusilber (vermarktet unter dem Begriff „Wiesilber“) und reinem Kupfer. Nicht zu vergessen das Admiralsmessing (auch als Marinemessing bekannt) mit seiner besonders hohen Korrosionsbeständigkeit.
Zwar werden bis Ende der 1920er-Jahre auch erste Versuche mit dem Strangpressen von Aluminiumwerkstoffen durchgeführt, die Mengen bleiben aber vorerst bescheiden. Gleiches gilt für die Verarbeitung von Zinnbronzen. Die hierfür erforderlichen besonders leistungsstarken Pressen stehen erst ein gutes Jahrzehnt später zur Verfügung.
Dessen ungeachtet erlauben die innovativen Legierungen zusammen mit dem Strangpressverfahren eine enorme Ausweitung des Produktportfolios, dank derer Wieland schwierigste wirtschaftliche Zeiten übersteht.
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