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Story 170 – 1960 – Innovation Service Qualität

Quadratur des Kreises – der Wieland-Logform-Rechner

Eine pfiffige Idee macht höhere Mathematik alltagstauglich

Bis 1966 werden bei der Kaltumformung althergebrachte Berechnungsverfahren angewandt. Die Wissenschaft ist schon weiter und arbeitet mit der viel exakteren, aber auch komplexen „logarithmischen Formänderung“. Wieland entwickelt deshalb einen Rechenschieber, der die Theorie im Alltag handhabbar macht.

„Eine Bestfertigung sowohl in wirtschaftlicher als auch qualitativer Hinsicht ist auf dem Gebiet der Umformtechnik im allgemeinen nicht möglich, ohne daß man sich von Fall zu Fall über die Beträge der Formänderung, den Kraft- und Leistungsbedarf, den Werkstoffzustand u. a. ein umfassendes Bild macht.“ So beginnt das Vorwort zu der 34-seitigen Anleitung des Wieland-Logform-Rechner aus dem Jahr 1967. Dieser innovative Rechenschieber ermöglicht die sprichwörtliche Quadratur des Kreises gleich in zweierlei Hinsicht: maximale Fertigungsqualität zu möglichst geringen Kosten – und die schnelle und einfache Anwendung komplizierter logarithmischer Verfahren durch Meister und Vorarbeiter „ohne mathematische Vorkenntnisse“.

Für Nicht-Techniker: Mit der Formänderungskenngröße können geometrische Veränderungen eines Werkstücks beim Umformen bestimmt und beispielsweise Umformkräfte exakt berechnet werden. Wann und von wem der Wieland-Logform-Rechner entwickelt wird, ist nicht überliefert. Jedenfalls geht im Dezember 1964 bei der Patentabteilung von Wieland ein Schreiben ein, das einen „Rechenschieber für das Rechnen mit logarithmischen Formänderungen“ beschreibt und vorschlägt, die Eintragung von Schutzrechten für die Innovation zu prüfen.

Im Frühjahr 1965 wendet sich Wieland unter dem Betreff „Sonderrechenstab für spanlose Verformung“ an mehrere, einschlägige Hersteller und bittet „um ein Angebot für 200 und 500 Stück.“ Den Zuschlag erhält die IWA-Rechenschieberfabrik in Esslingen, der Preis ist leider nicht dokumentiert. Er muss erheblich sein, denn im November 1966 müssen 32 Mitarbeiter in Vöhringen den leihweisen Empfang „nur zur Benützung innerhalb unseres Hauses“ per Unterschrift quittieren.

Trotz der beachtlichen Innovationshöhe gelingt es nicht, den Logform-Rechner zumindest als Warenzeichen eintragen zu lassen. Grund: Die Bezeichnung ist juristisch eine reine „Beschaffenheitsangabe“. Ein Mitarbeiter der Patentabteilung konstatiert daher schon im November 1965 lapidar: „Das Patentamt wird, wenn der Prüfer nicht gerade schläft, die Eintragung versagen.“

Dem hohen praktischen Nutzen des „Wieland-Logform-Rechners“ im Produktionsalltag tut dies keinen Abbruch. Bis zum Einzug der Digitalisierung leistet er einen wertvollen Beitrag zur Qualität der Wieland-Halbzeuge.

Auszug Wieland-Logform-Rechner

Die weiße Seite dient der Berechnung von allgemeinen Werten wie Querschnittsflächen und Metergewichten. Auf der grünen Seite können logarithmische Formänderungen berechnet werden.

Auszug Wieland-Logform-Rechner 1965

Innovation anno 1965: Ein Wieland-Mitarbeiter hält Ideen, Berechnungen und Skizzen zum Logform-Rechner absolut analog auf Notizpapier und Kalenderblättern fest.