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Story 014 – 1909 – Menschen Produkte

Steingewordene Fürsorge

Arbeiterwohnungen und -häuser in Ulm

Schon früh bemüht sich Wieland um guten Wohnraum für seine Beschäftigten. In Ulm entstehen deshalb zwischen 1892 und 1910 zahlreiche Häuser und Wohnungen, die günstig gemietet oder sogar zu besonders attraktiven Bedingungen erworben werden können.

Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert verzeichnet die aufstrebende Industriestadt Ulm einen Bevölkerungs­zuwachs und damit einhergehend eine Wohnungsknappheit, die erstaunlich aktuell anmutet. Und einen Wettbewerb um Arbeitskräfte, der Wieland veranlasst, seinen Beschäftigten ein hohes Maß an sozialen Fürsorgemaßnahmen anzubieten. Hierzu gehört ganz wesentlich auch die Bereitstellung von günstigem Wohnraum.

Schon 1892 erstellt das Unternehmen deshalb „in einer der schönsten Lagen der Stadt“ ein großes Gebäude mit 16 Wohnungen, die über drei Zimmer, Küche und Keller sowie einen kleinen Gartenanteil verfügen. Die Mieten bewegen sich zwischen sehr moderaten 13 und 17 Mark pro Monat. (Anm.: Die Kaufkraft 1 Mark (1873) entspräche 6,40 Euro (2018); Quelle: Statist. Bundesamt 2018)

Anfang des 20. Jahrhunderts beschreitet Wieland einen neuen Weg: Am östlichen Stadtrand von Ulm lässt man für 70.000 Mark vier Doppelhäuser erbauen, von denen jedes aus vier Wohnungen besteht. Diese verfügen über drei Zimmer, Wasch­küche, Keller und einen Gemüsegarten. Der Clou daran: Die Wohneinheiten werden zum Selbstkostenpreis an Wieland-Arbeiter verkauft. Sie müssen dafür lediglich 10 Prozent des Preises anzahlen – für den Rest erhalten sie günstige Darlehen ihres Arbeitgebers. Kein Wunder, dass alle Wohnungen kurz nach Fertigstellung bereits verkauft sind.

1910 entstehen unter der Regie der eigens ins Leben gerufenen Wieland-Wohnungen Baugesellschaft mbH weitere acht Häuser am Staufen-Ring, auch sie werden rasch an Mitarbeiterfamilien verkauft. An ihnen wird deutlich, dass die Fürsorge von Wieland weit über die Wohnraumfrage hinausgeht: Unmittelbar neben den Häusern wird eine „Klein-Kinder-Schule“ erbaut – der Vorläufer einer heutigen Kindertagesstätte. In ihr können Frauen, die zunehmend erwerbstätig sind, ihre Kinder während der Arbeitszeit betreuen lassen.

Ab 1919 geht Wieland dazu über, den Beschäftigten günstige Baudarlehen zur Verfügung zu stellen. Erst nach dem 2. Weltkrieg errichtet man in Ulm wieder 41 eigene Werkswohnungen, um einen Beitrag zur Linderung der enormen Wohnungsnot zu leisten. 1999 trennt sich das Unternehmen von seinen noch 180 verbliebenen Mietwohnungen in Ulm und Vöhringen.

Der Plan entsteht 1922 anlässlich des Anschlusses der Arbeiterhäuser am Ulmer Staufenring an den Städtischen Hauptkanal. Rechts ist das Gebäude der „Klein-Kinder-Schule“ zu erkennen.

Auszug Grundriss Klein-Kinder-Schule 1940

1940 wird die „Klein-Kinder-Schule“ offenbar umgebaut. Der Plan zeigt Details aus dem Dachgeschoss des 1909 erbauten Hauses.

Wieland Wohnungen 1955

In der Ulmer Olgastraße, unweit des Werkes, baut Wieland in der „Wirtschaftswunderzeit“ nach dem 2. Weltkrieg moderne Wohnungen. Das Foto stammt aus dem Jahr 1955.