Vom Kleckern zum Klotzen
Im Werk Ulm wird die Rohrfertigung in großem Stil ausgebaut
Mit einer neuen Rohrzughalle schlägt Wieland 1864 ein neues Kapitel in der Rohrfertigung auf. Nach dem Bau eines noch größeren Gebäudes 1896 wird die gesamte Rohrherstellung in Ulm konzentriert, die Zahlen der Maschinen und Arbeiter steigen rasch – ebenso die Produktionsmengen.
Die manufakturähnliche Rohrfertigung im Werk Herrlingen stößt bald an ihre Grenzen. Nicht nur wegen des mühsamen Transportes der Bleche und Gussrohlinge aus dem Ulmer Werk, sondern auch angesichts räumlicher Einschränkungen. Zumal sich ab 1860 abzeichnet, dass sich „Röhren“ – wie man sie damals noch nennt – vom Nischenprodukt zum wichtigen Halbzeug für Industrie und Infrastruktur entwickeln werden.
Wie schon so oft, sieht und ergreift Philipp Jakob Wieland diese Chance mit Weitblick, Mut und der Entschlossenheit, groß zu denken und zu handeln. Und so entsteht im Ulmer Stammwerk ab 1864 ein auf die industrielle Großproduktion ausgelegter Rohrzug: dreistöckig, mit einer großen und rund zwei Dutzend kleineren Ziehbänken. Angetrieben werden sie über eine komplizierte Transmissionslösung per Wasserkraft.
Drei Jahrzehnte später kann diese Rohrzughalle mit den gestiegenen Anforderungen nicht mehr mithalten. Und so entsteht 1896 ein weiterer Neubau, über 50 Meter lang, mit einem Flachbau und einem imposanten, zweistöckigen Hochbau, der auch die erforderlichen Glühöfen beherbergt. Angetrieben werden die Ziehbänke mit Dampfkraft. In der Folge wird der Rohrzug ständig erweitert und die gesamte Rohrfertigung dort konzentriert. Bis 1913 hat sich die Länge des Gebäudes fast verdreifacht, es ist nun die größte Werkstatt von Wieland in Ulm.
War der neue Rohrzug anfangs mit 43 Ziehmaschinen ausgestattet, sind es 1903 bereits 52 und drei Jahre später sogar schon 71. In den 10 Jahren nach der Inbetriebnahme wächst die Arbeiterzahl von 77 auf 209, die Jahresproduktion von 420 auf 1.250 Tonnen. Eindrucksvolle Beispiele dafür, zu welch bedeutendem Geschäftsbereich sich die Rohrfertigung in kürzester Zeit entwickelt.
Bis zum 2. Weltkrieg entstehen immer wieder Erweiterungsbauten, die meisten Maschinen aus dem 19. Jahrhundert werden durch modernere ersetzt. Allerdings: Einige kleinere Ziehbänke bleiben – mehrfach nachgerüstet und bestens gewartet – bis etwa 1960 im Einsatz.
1896 entsteht in dem langgestreckten Gebäude rechts neben dem Schornstein ein neuer Rohrzug (Aufnahme von 1920). Er wird schnell zur größten Abteilung im Ulmer Wieland Werk.