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Story 059 – 1950 – Menschen Service Sicherheit

Wer wird Walzwerker?

Zielgruppengenaues Employer Branding im Wirtschaftswunder

Im Boom der 1950er-Jahre werden Arbeitskräfte händeringend gesucht. Die Metallwerke Schwarzwald – seit 1931 zu Wieland gehörend – werben deshalb mit einer aufwändigen Broschüre um junge Männer, denen der anstrengende Beruf als Walzwerker mit zahlreichen Argumenten schmackhaft gemacht wird.

„Wer wird Walzwerker“ fragt in großen roten Lettern die Titelseite der (leider undatierten) achtseitigen Broschüre – und gibt die Antwort gleich selbst: „Der vorwiegend praktisch veranlagte junge Mann!“ Nach heutigen Gesetzen völlig undenkbar, ist das gezielte Ansprechen einer ganz bestimmten Personengruppe in den 1950er-Jahren noch völlig normal. Aktuellen Vorschriften genügen würde allenfalls der Passus, in dem das Jobprofil umschrieben wird: „Wer etwas lernen will, wer fleißig und zuverlässig ist, wer gerne große Maschinen bedienen will und Freude an selbständiger Arbeit hat, wer nicht am Fließband, aber doch mit anderen zusammenarbeiten will, der ist in den Metallwerken Schwarzwald herzlich willkommen.“

Wo die Broschüre aber konkreter wird, würde heute jeder Arbeitsrechtler einschreiten. Heißt es doch auf Seite 4: „Es gibt Berufe, die verhältnismäßig hohe Anforderungen an die geistigen Fähigkeiten stellen, andere wieder setzen eine besondere körperliche Robustheit voraus. Es gibt aber auch einen Beruf, der den praktisch veranlagten Jungen interessieren müsste. Wir meinen den Beruf des Walzwerkers.“

Mit einem Knopfdruck könne der Walzwerker einen Walzdruck von 1200 Tonnen auslösen – ein Argument, das so wichtig scheint, dass es in einer plakativen Grafik groß dargestellt wird. Weichere Faktoren werden aber auch angeführt – etwa die Kantine, die Waschräume oder der Werksarzt, der die Lehrlinge „zur Beruhigung der Eltern“ regelmäßig untersucht.

Auf drei Seiten führt die Broschüre dann die Tätigkeit des Walzwerkes detailliert in Wort und Bild auf, um abschließend noch einmal richtig Lust auf den Beruf zu machen. Schon nach zwei Lehrjahren könne man „Erster Mann“ an der Maschine werden, wer „besonders tüchtig“ sei, könne es sogar bereits in jungen Jahren zum Vorarbeiter oder Meister bringen.
Ob und welchen Erfolg die Broschüre hatte, ist nicht bekannt. Dessen ungeachtet ist sie ein herausragendes Beispiel dafür, mit welchem Aufwand – und mit welchen Argumenten – in der Wirtschaftswunderzeit um Mitarbeiter geworben wurde.

Auszug Broschüre

Mit Botschaften, die durchaus archaische Denkstrukturen ansprechen, werden Schulabgänger gesucht. Die sollen sich aber auch die Frage stellen: „Was interessiert mich am meisten?“

Auszug Broschüre

Auch mit sozialen Einrichtungen wird um Nachwuchs geworben. In der Kantine bekommt sogar „jeder täglich eine warme Suppe oder ein Eintopfgericht kostenlos.“